Kennt ihr das: Ihr seht ein Bild auf dem ihr drauf seid und euch schießt sofort ein Gedanke in den Kopf "Seh ich wirklich so aus?"
Genau so fühle ich mich jetzt, wenn ich mir Bilder anschaue von vor meiner Abnahme. Und wenn ich ehrlich bin, bin ich geschockt. Als so dick hab ich mich nie gesehen. Andere schon und das hat man ja auch oft genug zu spüren bekommen. Denn Mobbing gibt es nicht nur bei Kindern in der Schule, sondern auch danach noch. Und es ist krank, welche Formen derartiges Mobbing annehmen kann.
Ein sehr einschneidendes Beispiel an dieser Stelle: Als ich so ungefähr 15Jahre alt war, also das Alter in dem die Hormone eh schon verrückt spielen und man immer hübsch aussehen möchte und sich über alles den Kopf zerbricht, fand ich einen Brief im Briefkasten. Computer getippt und als Werbung getarnt. Er war an mich adressiert, also öffnete ich ihn irritiert und las ihn mir durch. Es ging um einen Gutschein für eine Fettabsaugung. Aber das war keine Werbung, die den Weg in den Briefkasten meiner Eltern gefunden hatte, sondern ein fieser Streich von Menschen, von denen ich dachte sie wären meine Freunde. Und es war unfassbar verletzend sowas zu lesen. Man wurde als eklig, hässlich, fett etc. betitelt, aber was solche Worte in einem anrichten, das verstehen die Menschen nicht, die einem sowas an den Kopf werfen. Ich vermute, dass mein Kopf einen Schutzmechanismus einrichtete und ich mich deswegen anders wahrgenommen habe, als ich aussah.
Egal wie Menschen einen wahrnehmen, kein Übergewicht dieser Welt rechtfertigt so ein Verhalten! Solche Taten können einen Menschen zerstören. Einer meiner Schutzmechanismen lag in meiner Wahrnehmung. Die Kleidung wurde immer größer, ich habe mich auch unwohler gefühlt, Essen war mein Trost, aber das ich dicker wurde, habe ich so nicht wahrgenommen. So dick war ich doch gar nicht, oder? Eine sehr lange Zeit habe ich mich nicht auf die Waage getraut, aus Angst es könnte doch so schlimm sein. Wenn ich beim Arzt gefragt wurde was ich wiege, schätzte ich immer nur und sagte lieber "So ungefähr 90kilo", obwohl ich zu der Zeit sicher schon an der 100 knackte. Meine Klamotten kaufte ich in L oder XL , aber manchmal passte selbst XL nicht - je nachdem von welcher Marke man was einkauft. Versuche abzunehmen gab es einige, aber sie alle scheiterten.
Schwimmen mit Freunden wollte ich nicht, denn ich fühlte mich nicht wohl. Fotos versuchte ich immer aus einem schrägen Winkel von oben zu machen, damit ich schlanker wirkte. Man versucht alles um sich selbst zu täuschen und sich einzureden, es sei ja nicht so schlimm. Ich mochte den Sommer nicht so gerne, denn kurze Hosen rutschten bei mir an den Innenseiten der Oberschenkel immer hoch und ich hab mir die Oberschenkel beim gehen aufgescheuert. Dann fühlt man sich einfach noch unwohler, weswegen ich immer versucht habe weitere kurze Sporthosen zu tragen. In langen Klamotten hab ich mich einfach dünner und wohler gefühlt!
Aber genau wie mein Selbstbild vor der Abnahme total verzerrt war, so ist es das nach der Abnahme immer noch. Ich habe 40Kilo abgenommen, aber deswegen fühle ich mich nicht unbedingt dünn oder dünner. Vorher trug ich in Oberteilen Größe XL, jetzt S oder M - aber dennoch fühle ich mich nicht, als wäre ich Normalgewichtig. Meine größte Hose im Schrank hat Größe 48... Nun trage ich circa Größe 40. Da liegen Welten zwischen, aber mein Selbstbewusstsein und die Selbstwahrnehmung hinken hinterher. In meinem Umfeld muss ich mir immer wieder anhören "jetzt reicht es aber auch" oder "mehr solltest du nicht abnehmen" . Aber als ich mit 111,5kg durch die Gegend lief, da waren die Stimmen in meinem Umfeld, die sagten "du solltest dringend was für deine Gesundheit tun und abnehmen" nicht so groß.
Die Wahrnehmung der Anderen scheint meist eine andere zu sein als die eigene. Meine Selbstwahrnehmung kommt noch nicht richtig hinterher, hat noch nicht realisiert, dass ich 40kg abgenommen habe. Und das ist Okay. Meine Haut kommt mit der Anpassung auch noch nicht hinterher. Ich habe einiges an Überschüssiger Haut am Bauch und hoffe diese durch gezieltes Training noch straffen zu können. Das und noch etwas abzunehmen gehört für mich zu dem Prozess meine Selbstwahrnehmung meinem Körperbild anzupassen dazu, um mich endlich so zu sehen wie ich bin. Und mich dadurch auch lieben zu lernen! Ereignisse wie der Brief, der mir damals geschickt wurde und das Mobbing in der Schule und auf anderem Wege haben mich geprägt. Sie haben mich vorsichtiger gemacht, was den Umgang mit Menschen angeht, aber sie haben mich auch gestärkt. Und zwar dadrin für meine Ziele zu kämpfen und das ich im Endeffekt die einzige bin, die mit mir zufrieden sein muss. Wenn ich gesund bin und mich gut fühle und mit mir zufrieden bin, dann ist dass das einzige das zählt. Und an diesem Punkt werde ich ankommen, auch wenn die Reise noch etwas dauert!